Was ist Orientalischer Tanz?
Der Orientalische Tanz im weitesten Sinne gliedert sich in vier Hauptrichtungen:
- der klassische Orientalische Tanz, ein Kunsttanz, der meistens gemeint ist, wenn von Bauchtanz gesprochen wird, und manchmal zur besseren Abgrenzung vom Orientalischen Tanz im weiteren Sinne die Bezeichnung Raqs sharqi erhält (mit Raqs sharqi wird allerdings zuweilen auch ausschliesslich der ägyptische klassische Orientalische Tanz bezeichnet). Hier kann man wiederum unterscheiden zwischen verschiedenen Unterrichtungen: so gibt es modernen sowie ägyptischen, libanesischen und türkischen Stil; die Bewegungen sind aber prinzipiell dieselben. Charakteristisch für den klassischen Orientalischen Tanz sind isolierte Bewegungen von Becken, Brustkorb und Schultern, die sowohl in fliessender Weise als auch mit scharfen Akzentuierungen ausgeführt werden und sich unterscheiden von den Isolationsbewegungen, wie Sie in anderen Tanzarten vorkommen, durch die ausgeklügeltere, feinere, insgesamt noch strenger auf absolute Isolation bedachte Ausführung. Zu den erwähnten der Isolation unterworfenen Körperteilen tritt im klassischen Orientalischen Tanz als Besonderheit noch die Bauchmuskulatur hinzu. Eine weitere Spezialität ist der häufige Einsatz sogenannter Shimmies, mittels verschiedener Techniken erzeugter Schüttel- und Vibrationsbewegungen einzelner Körperteile. Die Armführung ist ähnlich wie im Klassischen Ballett immer kontrolliert gehalten — keine schwingenden oder stossenden Arme — und dient hauptsächlich der “Verschönerung” des Bewegungsablaufes als Ganzes.
- diverse Folkloretänze, die sowohl als Bühnenfolklore zur eigenständigen Aufführung kommen, deren Bewegungen aber auch als Einzelelemente in den klassischen Orientalischen Tanz eingeflochten werden. Wichtig sind vor allem die Folkloretänze Ägyptens, daneben auch einige der Maghrebländer, der Arabischen Halbinsel, der Golfregion und der Mittelmeerostküste.
- Tänze, die sich zwar ganz deutlich vom klassischen Orientalischen Tanz unterscheiden, jedoch immer noch aufgrund ihres Bewegungscharakters und teilweise auch kulturellen Kontexts nahe genug verwandt sind, um mit Berechtigung zum Orientalischen Tanz im weiten Sinne gezählt werden zu können. Hierzu zählen die Tänze Persiens, Afghanistans, der islamischen Gebiete der Kirgisensteppe und des Tieflands von Turan sowie teilweise die der Kaukasusländer. Eine nähere Verwandtschaft gilt auch für diverse Zigeunertänze, von denen einige auf nach unserer Definition nichtorientalischem (vom Historischen her gesehen aber teilweise ehemals islamischem) Gebiet anzutreffen sind (beispielsweise Rumänien, Ungarn, Spanien).
- rekonstruierte Tänze, mit denen in moderner Zeit versucht wird, untergegangene orientalische Tanzformen unter Zuhilfenahme zeitgenössischer Bilddarstellungen und, sofern vorhanden, schriftlicher Beschreibungen in Quellentexten nachzuempfinden. Wichtige Beispiele hierzu wären der Pharaonische Tanz, der sich an den in der altägyptischen bildenden Kunst dargestellten Körperposen orientiert, und der arabisch-andalusische Tanz, welcher ein Rekonstruktionsversuch des Hoftanzes darstellt, wie er zur Maurenzeit in Südspanien praktiziert worden sein könnte.
(Zum Begriff “Orient” beziehungsweise “orientalisch” sowie den oben verwendeten geographischen Bezeichnungen siehe unter Definitionen.)
In der Praxis ist es so, dass eine professionelle Orientalische Tänzerin den unter a. beschriebenen klassischen Orientalischen Tanz unbedingt beherrschen muss. Sie muss mindestens über Grundkenntnisse der unter b. beschriebenen Folkloretänze verfügen. Die unter c. und d. aufgeführten Tänze hingegen sind sozusagen fakultativ. Die unter c. zusammengefassten Tänze sind zudem eigenständige, teilweise sehr komplexe Kunstformen, die nicht einfach nebenbei erlernt werden können, sondern intensives Studium und Training erfordern.